Von Funchal auf das Rückgrat Madeiras

5:00 Uhr morgens, der Wecker schellt. Ich habe schlecht geschlafen, wahrscheinlich wegen der Nervosität entdeckt zu werden. Ich unzippe das Zelt und sehe erneut die Lichter der Stadt Funchal. Schnell breche ich mein Lager ab und verpacke das noch etwas feuchte Zelt. Im Hafen von Funchal legt ein riesiges Kreuzfahrtschiff an. Ich stelle mir die luxuriöse Diskrepanz zwischen meinem Schlafplatz und dem Luxuskreuzer vor. Ich schmunzle, schließlich habe ich nichts bezahlt.

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Mein Gepäck

Ich gehe rauf zum Miradouro und koche Wasser für meinen Tee und frühstücke. Es kommen Lieferwagen und Männer, die an den seltsamen Eisengestellen vor dem Miradouro herum werken, aber ich lasse mich nicht stören. Die Männer auch nicht. Einer der Männer kommt her und fragt mich, ob ich mit meinem Wagen etwas zur Seite fahren kann, damit er passieren kann. Ich antworte: “Das ist nicht mein Auto. Ich bin zu Fuß gekommen”. Der Mann entschuldigt sich und geht wieder zurück. Ich breche auf und als ich an den Männern vorbeigehe erkenne ich, dass sie hier einen Markt vorbereiten.

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Ausblick auf dem Weg zum Einstieg der Levada

Ich wandere die Straße an der ich gekommen bin weiter hinauf Richtung Berge. Ich möchte heute die Levada da Negra bis zum Poço da Neve gehen. Im Wanderführer ist diese Route als spektakulär beschrieben. Ich erkundige mich mehrmals nach dem Weg. Die Madeirer sind alle samt hilfsbereit, freundlich und bemüht die richtige Auskunft zu geben, viele scherzen sogar mit mir. Eine Frau in Barreira kauft gerade Fisch beim Frischfischlieferanten und wir kommen ins Gespräch. “Kochen Sie heute Fisch?”, frage ich.
“Ja klar frischen Fisch.”, erwidert sie.
Ich antworte: “Sehr gesund.”
“Ja und sehr gut.”, meint sie und lächelt. “Wohin gehst Du?”, setzt sie fort.
“Zum Poço da Neve.”, sage ich.
“Es ist schön dort oben, aber bleibst Du im Gebirge?” fragt sie weiter.
Ich erwidere: “Ja, ich denke schon.”
Sie meint es sei gefährlich im Gebirge zu bleiben, aber ich beruhige und erzähle ich sei gut ausgerüstet. Sie wünscht mir einen guten Weg und ich ziehe weiter.

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Levada da Negra

Etwas später finde ich den Einstieg zur Levada da Negra und schreite hoch, aber bereits der Weg zum Anfang der Levada hat mich aufgrund der Steilheit und des Gepäcks schon so erschöpft, dass ich beschließe eine Pause zu machen.
Ich gehe weiter und schreite den Eukalyptuswald, gemächlich und nicht mehr so steil, entlang des künstlich angelegten Wasserlaufs nach oben. Zu bemerken ist, dass die Eukalypten hier nicht heimisch sind, sondern durch den Mensch eingeführt wurden. Ab und zu nutze ich das frische Wasser, um mir den Schweiß aus dem Gesicht zu waschen. Bald gehe ich um eine Kurve und der Wald lichtet sich. Ich blicke in ein Tal mit grandiosen Schluchten und steilen Felswänden. Leider hat sich eine Wolkendecke im Tal festgesetzt. Der Weg wird schlechter und ich komme zu den ersten Stellen, wo winterliche Regengüsse ganze Teile vom Weg weggerissen haben. Rechts geht es hunderte Meter nahezu senkrecht ins Tal und ich bekomme ein mulmiges Gefühl. “Habe ich mich etwa verlaufen?”, frage ich mich. In meinem Führer ist der Weg als gut gesichert beschrieben. Ich überprüfe die Karte und den Wanderführer und bemerke, dass die meine Ausführung des Wanderführers aus 2008 ist und somit nicht ganz aktuell.
Erste Umkehrgedanken werden gnadenlos ignoriert, was aber das mulmige Gefühl nur ansteigen ließ, zumal ich jetzt auch noch in den Nebel hineingerate und immer größere Stücke des Weges fehlen. Doch umkehren machte jetzt keinen Sinn mehr, dafür bin ich schon viel zu weit gelaufen. Schließlich und endlich findet der steile Abgrund ein Ende und läuft langsam in ein V-Tal zusammen. Jetzt überquere ich das kleine Bächlein, das ich weiter unten schon als reißenden Bach gesehen habe. Es geht weiter nach oben, die Wolken lichten sich langsam und ich gelange zu einer Forststraße. Diese Forststraße hätte mich zum Poço da Neve geführt, wie ich später erfahre, aber ich bevorzuge es weiter entlang der Levada zu laufen. Ich wandere entlang der Levada bis diese ihr Ende findet, aber der Weg geht weiter. Schon von weiterer Ferne stach mir ein kugelförmiges Gebäude unangenehm ins Auge. Nach ca. einer weiteren halben Stunde Aufstieg stehe ich vor diesem Gebäude am Gipfel des Pico de Areeiro auf 1818 Meter über dem Meer. Hier wird eine neue moderne aber leider hässliche Schutzhütte gebaut, die überhaupt nicht in die Landschaft passt und es führt auch eine geteerte Straße hier rauf. Von 350 auf 1800 Höhenmeter mit 20 Kilo Gepäck, ich bin stolz auf mich.

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Blick in die Schlucht

Oben treffe ich noch Wanderer die vom Pico Ruivo, dem höchsten Berg der Insel mit 1862 Metern Höhe zurückkehren.  Ein relativ junges deutsches Paar, was für ein Zufall. Der Weg zum Pico Ruivo gilt als gesperrt, doch die Zwei sagen mir, er sei in tadellosem Zustand. Dann und wann fehle ein Sicherung aber sonst sei er überhaupt kein Problem. Ich erzähle noch meine Geschichte vom angeblich gut gesicherten Weg, wo die Sicherung gänzlich fehlt, ja teilweise sogar ganze Wegstücke und empfehle eine andere Variante. Das ist aber ohnehin hinfällig, da die Zwei mit dem Auto hochgefahren sind.

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Der Aufstieg entlang der Levada Negra in den Wolken

Somit lautet mein Plan für morgen: Pico Ruivo, den höchsten Gipfel Madeiras und dann sehe ich weiter. Die Sonne ist am untergehen und ich steige ein bisschen in die Richtung ab von der ich gekommen bin, bis in einen Sattel, wo mir beim Hochsteigen schon ein guter Platz zum schlafen ins Auge gestochen ist. Ich baue mein Zelt auf koche Nuddeln und genieße den freien Ausblick auf den Sonnenuntergang.

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Über den Wolken

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Pico do Areeiro

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Mein Schlafplatz

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Sonnenuntergang vom Pico do Areeiro aus

Levadas sind künstlich angelegte Wasserläufe die Bewässerung der kleinen Agrarflächen des südlichen Teiles der Insel dienen. Sie verlaufen mit geringem Gefälle entlang der Berghänge und wurden kurz nach der Entdeckung Madeiras unter enormen Aufwand gebaut, ohne dabei das natürliche Ökosystem der Insel entscheidend zu beeinflussen. Die Agrarwirtschaft Madeiras war und ist maßgeblich angewiesen auf dieses System der Bewässerung, da die Äcker ohne Wasser unfruchtbar bleiben. Aufgrund der geographischen Voraussetzungen ist der Süden Madeiras mit Niederschlägen benachteiligt, da das Gebirge sich von West nach Ost erstreckt, im Süden flach und im Norden steil abfällt. Dies bildet eine Barriere für Nord- und Nordostwinde, weshalb im Norden deutlich mehr Niederschläge verzeichnet werden.  Aufgrund der Steilheit des Geländes ist aber der Ackerbau im Norden nur in einigen wenigen Tälern möglich. Vor allen in den Sommermonate, wo es im Süden bis zu 6 Monate trocken bleiben kann, spielen die Levadas eine wichtige Rolle.

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Entlang der Levada do Norte

Gebaut wurden die ersten Levadas vor allem von Sklaven, die diese gefährlichen Arbeiten verrichten mussten. Heute werden die Levadas neben der Bewässerung auch zur Elektrizitätserzeugung verwendet. Levadas laufen durch Tunnel, über Täler, Schluchten und Gebirgsbäche, um den weiten Weg, vom mit Wasser gesegneten Norden in den trockenen Süden zu überwinden. Parallel zu allen Levadas führen Wege, da sie ständig gewartet werden müssen. Viele dieser Wege sind heute als Wanderwege für Touristen ausgeschildert, da sie einen spektakulären Ausblick in Natur Madeiras bieten.

Der Weg entlang der Levada da Negra ist also nur für Geübte geeignet.

Hier der Weg zum downloaded als gezipptes kmz-File für Google Earth: madeira-weg-zweiter-tag.zip

Quellen: de.wikipedia.org/wiki/Levada, Quintal R. (2008): Levadas und Wege auf Madeira. 3. Auflage. Funchal: Verlag Francisco Ribeiro

4 Reaktionen zu “Von Funchal auf das Rückgrat Madeiras”

  1. dalenzistda

    Scheissgeil!

  2. Daniel

    Hab heute euer mobil gesehen und bin auf die darauf vermekte internetseite aufmerksam geworden (an der avenida da lib.).
    finde euren blogg cool und wünsch euch weiterhin eine gute zeit!

  3. Klemens

    Heutiger Bericht in den OÖ Nachrichten über Madeira: http://www.nachrichten.at/ratgeber/reisen/art119,632561

  4. Martin

    Auch sehr zu empfehlen die Reisen von Kneissl Touristik, http://www.kneissltouristik.at/

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